Stellungnahme der Basisdemokratischen Fachschaft Sozialwissenschaften zu den Äußerungen von Herrn Prof. Dr. Geiling am 13. November 2013

Die jüngsten Vorfälle an der Philosophischen Fakultät sorgen derzeit für kontroverse Diskussionen. Hierzu aus der Pressemitteilung des AStA der Universtität Hannover vom 14. November 2013:

Am 13. November 2013 wurde in einer Ringvorlesung des Instituts für Politische Wissenschaften erneut auf die Ereignisse vom Donnerstag, den 7. November, eingegangen. Damals wurden unsere Kommiliton_innen während einer Vorlesung über den politischen Hintergrund einer Studentin ihres Semester hingewiesen: Diese ist als Unterbezirksvorsitzende Hannover in der NPD politisch aktiv. In Bezug auf die Aktion verweisen wir auf die Artikel der TAZ, HAZ und NP.

Der bisherige Umgang mit diesem Ereignis von verschiedenen Funktionsträger_innen der Universität ist problematisch, erreicht nach den Äußerungen in der Ringvorlesung allerdings nochmal eine neue Dimension. Der Dozent der Veranstaltung am 13. November, Prof. Dr. Heiko Geiling, äußerte, dass diese Form des Protests negative Assoziationen bei ihm wecke. Auf die Nachfrage, welche diese seien, antwortete er:

Es gibt ja ganz verschiedene Bilder. Zum Beispiel, wie nach 1944, als die alliierten Truppen in Paris einmarschiert sind und insbesondere sogenannten
Kollaborateurinnen, Frauen, in Paris auf der Straße die Haare abgeschnitten worden sind von irgendwelchen Volksmassen und dementsprechend durch die Straßen 
gejagt wurden, ohne dass diesen Personen der Vorwurf der Kollaboration, also die Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzungsmächten nachgewiesen werden konnte. Es gibt genauso schreckliche Bilder vom Jahrestag, der gerade gefeiert, ähh, gefeiert ist nicht das richtige Wort, der gerade bedacht worden ist, der Reichspogromnacht.”“

Es ist nur schwer nachvollziehbar, wie sich ein Professor für Politische Soziologie zu solch abstrusen Vergleichen hinreißen lassen konnte. Von der Reichspogromnacht ganz zu schweigen soll an dieser Stelle exemplarisch die Situation der Frauen, denen „horizontale Kollaboration“ vorgeworfen wurde, kurz umrissen werden, um diese vermeintlichen Parallelen ad absurdum zu führen.

Als die Alliierten das besetzte Frankreich befreiten änderten sich die Machtverhältnisse der französischen Bevölkerung massiv; jene, die kollaboriert hatten, oder auch nur nicht in der Résistance gewesen waren, fanden sich auf der falschen Seite der Geschichte wieder. Zu spüren bekamen dies vor allem die Frauen. Über 20.000 Frauen mussten für sexuelle Beziehungen zum Feind büßen. Für gewöhnlich wurden sie nackt durch die Straßen gejagt, in Brunnen getaucht oder unter fließendes Wasser gezwungen und bekamen die Haare geschoren. Es wurden allerdings auch um die 2000 hingerichtet. Diese Taten können nicht verstanden werden, wenn man sie nicht im Licht von Nationalismus und Sexismus betrachtet.

Die Frauen dienten als Sündenböcke, als Projektionsfläche für Schwäche und Versagen der Nation und auch der Männer, die die militärische Niederlage nicht hatten verhindern können. Sie waren von den deutschen Soldaten befleckt worden, so wie Frankreich vom Deutschen Reich befleckt worden war. Sie mussten symbolisch gereinigt werden, um dadurch auch die Nation rein zu waschen. Am wichtigsten aber war wohl sich der Rechte der Nation und der französischen Männer über die Sexualität der Frauen zu vergewissern und ihnen zu zeigen, dass sie nicht frei über ihren eigenen Körper verfügen dürften.

Wenn wir an dieser Stelle einen kurzen Vergleich zu dem Outing Christina Kriegers ziehen möchten, so fällt es schwer hier Anknüpfungspunkte zu finden: allein oberflächlich betrachtet wurde sie weder körperlich angegangen, noch getötet. Niemand erhob Anspruch auf ihre Person oder ihre Sexualität. Niemand der Antifaschist_innen wird sich um die Reinheit ihrer/seiner Nation gesorgt haben.

Stattdessen wurde die politische Gesinnung und Aktivität von Krieger in einer Art und Weise offen gelegt, vor der niemand der Anwesenden die Augen verschließen konnte. Dies mag für einige unangenehm gewesen sein, da so eine direkte Konfrontation es äußerst schwierig macht, sich dazu nicht in irgendeiner Art und Weise zu verhalten. Hinterher kann niemand mehr sagen: „NPD-Kandidatin? Das wusste ich nicht!“. Alle im Raum sind Mitwisser_innen und Zeug_innen zugleich. Der Hass darauf nicht länger nur unbeteiligte_r Seminarteilnehmer_in sein zu können richtet sich auf jene, die das Augenverschließen verunmöglichten. Dadurch wird eine Person in Schutz genommen, die, solange sie nur ein unpersönliches Objekt beispielsweise in den Nachrichten ist, zutiefst verachtet wird. Jede_r im Raum ist gegen Nazis, aber niemand will gegen Nazis sein, wenn es gerade nicht in den Kontext passt. Demo – ja! Vorlesung – nein! Wieso sollte es Räume geben, in denen eine Kritik legitim ist und andere, in denen das nicht der Fall ist?

Nazi sein heißt Nazi zu jeder Zeit zu sein. In sicherer Distanz sich das Maul zu zerreißen und bei direkter Konfrontation auf Grundrechte zu verweisen zeugt nicht gerade von gefestigter Position beim Thema Nationalismus und Faschismus, zumal wenn dieser beschworen wird um Faschist_innen in Schutz zu nehmen. Hin und wieder wäre es sinnvoll die eigenen Affekte gründlicher zu reflektieren. Nicht nur als Professor, auch als Studi.

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